Zoopharmakognosie

Alle Hunde- und Katzenbesitzer haben schon mal erlebt, dass ihre Tiere Gras, Erde, Baumrinden oder Pflanzenteile fressen. Häufig liest man, dass ein solches Verhalten darauf deutet, dass das Tier Würmer hat oder ihm etwas in der Nahrung fehlt. Aber was steckt wirklich hinter diesem Verhalten?

Wilde Tiere haben über eine Jahrtausende lange Selektion bestimmte Verhaltensweisen entwickelt, die das Überleben ihrer Spezies sichert. Eine dieser Verhaltensweisen nennt man Zoopharmakognosie. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine relativ neue Wissenschaftsbranche, die den instinktiven Gebrauch zur Selbstmedikation von Heilpflanzen und anderen Mitteln wie Erde, Ton, Pilze und Insekten durch Tiere studiert. Der Begriff Zoopharmakognosie (Englisch: zoopharmacognosy) wurde 1993 geprägt und setzt sich aus dem Griechischen zoo (Tier), pharma (Droge) und gnosy (kennen oder wissen).

Naturforscher haben häufig beobachtet, dass kranke Tiere Giftpflanzen oder bittere Pflanzen fressen, wenn sie z. B. Würmer haben. Andere fressen Ton oder Holzkohle bei Durchfall. Dieses Verhalten der Tiere gibt Wissenschaftlern unter anderem wertvolle Hinweise über mögliche Einsatzbereiche solcher Pflanzen in der Humanmedizin. Die Britische Biologin Cindy Engel hat ein faszinierendes Buch dazu geschrieben mit dem Titel „Wild Health“. Darin gibt sie viele Beispiele der Zoopharmakognosie.

In der Volksmedizin, insbesondere der Pflanzenheilkunde, findet man oft Hinweise auf den tierischen Gebrauch der Pflanze durch den Volksnamen der Pflanze, wie z. B. Katzenminze oder Hundsgras. Die Katzenminze wirkt durch ihre ätherischen Öle parasitenabweisend. Unsere Katzen wissen das instinktiv und wälzen sich deshalb gerne in Katzenminze. Umso mehr sie die Pflanze durch ihr Wälzen zerdrücken, umso mehr wird ätherisches Öl freigesetzt. Hunde fressen gerne Quecke (Agropyron repens), denn auch sie wissen instinktiv, dass die Quecke nicht nur Blasenentzündungen und Nierensteinen entgegenwirkt, sondern auch die Verdauung anregt und durch seine Beschaffenheit hilft den Darm zu putzen und bei einem möglichen Wurmbefall den Darm von Parasiten befreit. Des Weiteren hilft Quecke bei Prostata-Erkrankungen und rheumatischen Beschwerden.

Hundebesitzer können durch die instinktive Selektion von Naturheilmitteln ihrer Hunde wertvolle Hinweise über den Gesundheitszustand ihres Hundes bekommen, indem sie genau beobachten, was der Hund zu sich nehmen möchte. In meinen langen Jahren der Tierhaltung habe ich Zoopharmakognosie oft beobachten dürfen. Eines meiner Schäferhunde fraß Wermut in großen Mengen, als er verwurmt war. Man konnte ihm ansehen, dass es ihm überhaupt nicht schmeckte, aber er fraß es trotzdem und befreite sich so von seinen Parasiten.

Ein weiteres gutes Beispiel zeigt folgender Fall:
Eine junge Schäferhündin, die mir gehörte, rannte eines Tages im Garten zum Grillplatz und fraß große Mengen an Holzkohle. Ich erkannte, dass dieses Verhalten darauf hindeuten kann, dass die Hündin eine Magen-Darm-Erkrankung bekommt und ließ die Hündin sofort fasten. Zwei Tage später brach die Parvovirose bei der Hündin aus. Dadurch, dass der Magen-Darm-Trakt durch das Fasten vollkommen leer war, verlief die ansonsten schwere Erkrankung recht glimpflich ab und die Hündin war nach wenigen Tagen wieder fit. Wäre der Darm mit Nahrungsmitteln voll gewesen, hätte die schwere Durchfallerkrankung sehr viel länger angedauert. Die Hündin war übrigens nach veterinärmedizinischem Standard gegen Parvovirose geimpft.

Diese Beispiele zeigen deutlich, dass auch unsere Haustiere versuchen sich selbst zu helfen, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen. Wenn Tiere Zugang zu Wild- und Heilkräutern haben, nutzen sie oft die Gelegenheit.

Aus vielen Gründen macht es durchaus Sinn, das Futter mit einigen Zutaten zu ergänzen, um die eventuellen Nährstoffdefizite in den heutigen Lebensmitteln etwas zu beheben und mit Hilfe von Naturmitteln den Hund oder die Katze gesund zu halten. Gerade Heilpflanzen und Gartenkräuter bieten hier eine gute Lösung. Kräuter sind reich an sekundären Pflanzenstoffen, Spurenelementen, Vitaminen und Mineralien. Sie wirken auf verschiedene Organsysteme und helfen dem Körper bei der Verdauung, der Immunabwehr, der Gesunderhaltung auf zellulärer Ebene und bei der Krankheitsvorbeugung, beispielsweise bei Krebs.

Als Hundebesitzer sind Sie täglich im Grünen um den Hund zu bewegen, so dass Sie mit ein bißchen Heilpflanzenwissen bereits wertvolle Ergänzungsmittel aus der Natur mitnehmen können. Am Hof Drei Hunde Nacht biete ich Kurse, in denen Sie lernen können Wildkräuter zu erkennen, zu ernten, zuzubereiten und einzusetzen. Sie können zudem mit wenig Platz im Garten oder sogar auf dem Balkon einige Futterkräuter selbst ziehen. Oft sind Tierbesitzer aus mangelnder Kenntnis von Kräutern und wegen teilweise haarsträubender Warnungen in Büchern über den Einsatz von Kräutern in der Nahrung verunsichert. Kräuter gehören zur normalen Nahrung dazu – in der menschlichen sowie in der tierischen Nahrung. Bekommt das Tier von Anfang an Kräuter ins Futter, wird es weniger häufig an Parasitenbefall, Durchfällen und Mangelerscheinungen leiden und durch die immunstärkende Wirkung vieler Heilpflanzen auch weniger anfällig für Erkrankungen sein. Alle Wildtiere bedienen sich der Apotheke der Natur und so sollten auch Sie Kräuter in den Speiseplan Ihres Haustieres einbauen. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Kräuter noch ein wichtiger Bestandteil der Ernährung von Mensch und Tier sowie ein fester Bestandteil jeder Hausapotheke. Dieses Wissen um Heilpflanzen geht zunehmend in „fortgeschrittenen“ Ländern verloren da Naturmittel durch chemisch-pharmazeutische Medikamente ersetzt werden. Übrigens ist 80 % der Weltbevölkerung noch heute nur auf Heilpflanzen zur medizinischen Versorgung angewiesen!

Mit ein bißchen Wissen können Sie schon viel erreichen.

Heilkräuter mit stark medizinischer Wirkung sollten Sie nicht ohne Anleitung eines Phytotherapeuten anwenden, aber es gibt sehr viele Kräuter, die sich für eine tägliche Nahrungsbeilage eignen. Zum Beispiel eignen sich Dill, Borretsch, Gänseblümchen, Quecken, Rotklee, Brunnenkresse, Brennesselblatt &-samen, Löwenzahn, Malven, Petersilie (nicht bei Trächtigkeit), Schafgarbe, Spitz- und Breitwegerich, Vogelmiere, Giersch, Hagebutten, Minze (nur Hunde), Große Klette, Alfalfakraut und Brombeerblätter zur normalen Fütterung.

Auch hier gilt abwechslungsreich, am besten nach Saison und in kleinen Mengen. Kräuter sammelt man grundsätzlich dann, wenn der Teil der Pflanze, den man einsetzen möchte, am stärksten ist. Blüten sammelt man zum Beispiel wenn es sonnig ist und die Blüte in ihrer vollen Pracht erscheint. Blätter sammelt man bevor die Blüten austreiben, da dann die Kraft der Pflanze noch in den Blättern steckt. Ausnahmen sind Kräuter, bei denen man die gesamten oberirdischen Teile benutzt. Wurzeln erntet man entweder im Spätherbst, Frühwinter oder im Frühjahr, bevor die Pflanze neu austreibt. Die beste Zeit für Wurzeln ist dann, wenn es bereits ein- oder zweimal Frost gegeben hat, denn dann steckt die Kraft der Pflanzen am stärksten in den Wurzeln, da die oberirdischen Teile abgestorben sind.

Man kann die gesammelten Kräuter trocknen, so dass man für den Winter einen Vorrat hat.

Natürlich bedeutet aber nicht harmlos!

Obwohl wilde Tiere sehr instinktsicher sind was die Aufnahme von natürlichen Heilmitteln betrifft, muss man mit dem Haushund/-katze etwas vorsichtiger sein. Unsere Rasse- und Mischlingshunde & Katzen sind seit Jahrhunderten nicht mehr über eine von der Natur vorgegebene Selektion gezüchtet worden und haben dadurch zum Teil ihre Instinktsicherheit eingebüßt. Wilde Tiere fressen auch mal giftige Pflanzen, die in kleinen Mengen sehr wirksame Heilmittel sein können. Haushunde finden diesbezüglich nicht immer das richtige Maß und können bei übermäßigem Fressen von giftigen Pflanzen schwere Vergiftungen erleiden.

 

© Swanie Simon 2010 / überarbeitet 2018